Was mich am Mentoring besonders beeindruckt hat, war die Vielzahl an Instrumenten, die individuell auf die wechselnden Bedürfnisse abgestimmt werden können. Ich selbst habe von einem spannenden Mix profitiert: LinkedIn-Beratung, Selbstmarketing, Interview-Training und dem Solution-Circle. Zum Schluss arbeitete ich in einem Tandem mit einem Mentor, der mir ein Assessment-Tool näherbrachte. Dieses hat mir den Spiegel vorgehalten und gezeigt, worauf ich bei Vorstellungsgesprächen noch stärker achten muss, insbesondere bei unangenehmen Fragen und meiner Selbstdarstellung.
Ich erspare den Lesenden stereotype Tipps wie «Gib nicht auf», «Du musst dranbleiben» oder «Glaube an dich». Wenn man über 50 ist, über 100 Absagen erhalten hat, schon lange auf Stellensuche ist und kurz vor der Aussteuerung steht, ist man angespannt, frustriert, und läuft Gefahr, sich an Absagen zu gewöhnen.
Was jetzt passiert, lässt sich mit einem Bild beschreiben: Du befindest dich mitten in einem römischen Wagenrennen, beobachtet von zahllosen Zuschauern, und musst dieses Rennen gewinnen. Du stehst auf einem makellos herausgeputzten zweirädrigen Wagen, er repräsentiert all deine einzigartigen, wunderbaren Eigenschaften. Der Wagen wird von zwei Pferden gezogen: «Wille» und «Vorstellung». Wenn beide dasselbe Ziel haben, erreichst du sicher die Ziellinie. Doch eines dieser Pferde ist deutlich stärker, die «Vorstellung». Denn sie wird emotional aufgeladen. Wenn die Vorstellung in den Stall will, übertrumpft sie den Willen und zieht deinen Wagen zum Futtertrog statt zum Ziel.
Genau hier liegt das Problem: Vorstellung kann auch negativ behaftet sein, etwa wenn du dich auf die vielen bisherigen Absagen fokussierst. Dann lädst du diese negative Vorstellung bereits beim Schreiben einer Bewerbung oder beim Betreten eines Interviews auf. Und so realisierst du schon im Voraus eine Absage. Die bekannte «selbsterfüllende Prophezeiung» setzt genau hier an.
Diese Erkenntnis hat mir geholfen. Ich habe begonnen, Zeitfenster für Aktivitäten einzuplanen, die mir guttun: Sport, Meditation, positive Visualisierungen. Ich habe meinen Fokus verschoben, weg von der Last der Pflichtbewerbungen, hin zur Vorstellung, wie ich morgens zur Arbeit fahre, wie mein neues Team ist, mein Chef. Bewerbungen schrieb ich weiterhin, aber ich habe sie nicht mehr emotional aufgeladen.
Dann sind zwei Dinge passiert: Ich wurde ausgeglichener. Und plötzlich hat mich mein Unterbewusstsein an eine alte Kontaktspur erinnert, ein Stellenvermittler, mit dem ich vor Jahren einmal telefoniert hatte. Er konnte sich noch gut an mich erinnern und hat mir zu meiner heutigen Stelle verholfen. Einfach unglaublich.